Stellen sie sich einen LKW vor, der die Aufgabe hat, zwischen Hamburg und Freiburg permanent wichtige Ware hin und her zu transportieren.

Auf diesem Weg kann einiges passieren. Zum Beispiel, kann es gleich zu einem Stau kurz nach Hamburg kommen. Um diesen Stau passieren zu können, muss der LKW einiges an Ladung auf der Strecke lassen. Es kann aber auch sein, dass erst am Frankfurter Kreuz ein Unfall passiert, die Fahrbahn nicht breit genug ist und er auch hier auf Ware verzichten muss, weil er sonst nicht am Ziel ankommt.

Dann wiederum kann es passieren, dass der LKW kurz vor Freiburg in einen Stau im Tunnel ankommt. Es ist möglich, dass Wasser in diesen Tunnel eingedrungen ist, oder Einbauten im Tunnel das Passieren erschweren. Viele verschiedene Ursachen können zu diesem Stau führen und unser LKW kann seine Ware nicht vollständig oder ordnungsgemäß abliefern.

Da es aber auf dieser Seite nicht um Verkehrsmeldungen geht, übertragen wir an dieser Stelle die LKW Geschichte auf unseren Körper.

Der LKW ist ein Nerv. Der Medianusnerv. Die Ware, die er transportiert sind Informationen. Informationen, die permanent von und zu der Hand, genau genommen vom Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und einer Seite des Ringfingers zum Gehirn und wieder zurück geleitet werden.

Diese Informationen geben zum Beispiel Aufschluss über die Stellung der Finger, über Temperatur, über Muskelspannung etc.

Wenn sie nun wissen, wie viel unterwegs auf der langen Strecke zwischen Halswirbelsäule (Hamburg) und Fingern (Freiburg) schief laufen kann, dann können Sie sich sicher denken, dass die Vermutung, an einem Karpaltunnelsyndrom zu leiden, nicht unbedingt richtig sein muss. Trotzdem kommen immer wieder Patienten zu uns in die Praxis und vermuten, am Karpaltunnelsyndrom zu leiden. Entweder, weil sie das von Bekannten kennen oder irgendwo gelesen haben, dass das Karpaltunnelsyndrom Schuld dran ist, wenn die Hände und Finger kribbeln, taub werden oder weh tun. Oftmals haben sie dann auch Angst, dass sie operiert werden müssen. Und zusätzlich haben sie von der Bekannten erfahren, dass das ja gar nichts bringt. Die Panikmache ist perfekt!

Angenommen, Sie sind Besitzer eines Kleidergeschäftes in Freiburg und der Lieferant ihrer Ware würde die bestellte neue Kollektion nicht liefern. Sie wissen aber gar nicht, warum das so ist. Was tun Sie? Verfallen Sie in Panik, weil Ihr Lieferant aller Wahrscheinlichkeit nach im Tunnel im Stau festsitzt? Vermutlich beginnen Sie zu telefonieren und fragen, wo das Problem ist.

Ob Ihre Beschwerden also wirklich durch ein Karpaltunnelsyndrom ausgelöst sind, muss gründlich untersucht werden.

Eines vorweg: Ein Karpaltunnelsyndrom liegt tatsächlich in den seltensten Fällen vor.

Was ist dieser Karpaltunnel?

Man kann sich den Karpaltunnel tatsächlich wie einen Tunnel an der Unterseite des Unterarmes in Nähe des Handgelenks vorstellen. Er wird durch Knochen der Handwurzel und Bindegewebe gebildet. Dieser Tunnel führt zwischen den Handwurzelknochen zur Innenfläche der Hand.

Dieser Tunnel leitet mehrere wichtige Strukturen. Zum einen den Medianusnerv und zum anderen die Sehnen der Fingerbeuger. Wie bereits in unserem Beispiel erklärt, kann der Medianusnerv auch durch Spannungsveränderungen in der Hals- oder Brustmuskulatur oder im Verlaufe der Arms durch Verletzung von Strukturen irritiert sein. Irritationen des Medianusnervs und die damit verbundenen Beschwerden kommen hin und wieder auch im letzten Drittel von Schwangerschaften durch vermehrte Wasseransammlungen vor. Natürlich sind Menschen mit Vorerkrankungen etwa Rheuma anfälliger für das Karpaltunnelsyndrom.

Standartisierte Tests geben hier Auskunft.

Zum Schluss noch ein Patientenbeispiel

Ein Patient, der viele Jahre körperlich mit seinen Händen gearbeitet hat, stellte sich in unserer Praxis vor mit der Diagnose Karpaltunnelsyndrom. Er sollte sich einer Karpaltunnel OP unterziehen, wollte aber zunächst auf physiotherapeutischem Weg versuchen, die Beschwerden zu lindern.

Diese lagen tagesabhängig zwischen völligem Gefühlsverlust in den Fingern bis hin zu starken Schmerzen auch in der Nacht.

Nach einem Anamnesegespräch und diversen Tests starteten wir die Behandlung zweimal wöchentlich. Es stellte sich bei der Befundung und bei Tests heraus, dass der Medianusnerv im Bereich der Halswirbelsäule bereits irritiert war. Wir mobilisierten den Medianusnerv zuerst im Bereich der Halswirbelsäule und der Schulter, später auch weiter unten im Verlauf des Nerven, ohne dass wir die Beschwerden hervorrufen konnten.

Nach zwei Behandlungen berichtete der Patient, schon weniger Kribbeln und Taubheitsgefühle zu spüren. Die Mobilisation des Nerven leiteten wir als Heimübungsprogramm an. D.h. der Patient konnte zu Hause selbst die Nervendehnung durchführen. Nach sechs Behandlungen war der Patient bereits so gut wie beschwerdefrei. Kurze Zeit später traf ich meinen Patienten beim Einkaufen und er berichtete mir, dass er mittlerweile wieder seiner üblichen Tätigkeit im Haushalt und Garten ohne Schmerzen nachgehen kann. So konnte die Operation vermieden werden.

In diesem Falle hätte die Karpaltunnel OP auch nicht zu einem Erfolg geführt. Hin und wieder kommen Patienten nach einer solchen OP zu uns in die Praxis und klagen über die gleichen Beschwerden wie vor der OP.

Text: Christina Sattler

Bild: Pixabay

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